Ein Erfolgsmodell feiert Jubiläum
20. Unternehmerseminar des Berufsförderungswerks in Bad Lauterberg mit brandaktuellen Vorträgen
Zum 20. Mal fand Anfang März in Bad Lauterberg im Harz das traditionelle Unternehmerseminar statt. Veranstaltet wird es vom Berufsförderungswerk des Dachdeckerhandwerks Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt e. V. in Zusammenarbeit mit der VESTA, der Vereinigung ehemaliger Dachdecker-Fachschüler St. Andreasberg e. V. Insgesamt 139 Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßte Rudolf Behr, Vorsitzender des Berufsförderungswerks, zum Auftakt der zweitägigen Veranstaltung.
Besonders freute er sich darüber, dass einige ganze Familien gemeinsam in den Harz gereist waren. „Dies ist für mich ein Zeichen, dass das Wort von der Dachdecker-Familie keine leere Floskel ist, sondern dieses Familiäre auch tatsächlich gelebt wird, was uns von vielen anderen Gewerken des Handwerks abhebt und unterscheidet“, stellte er fest. In den Reihen des Berufsförderungswerks begrüßte er elf neue Mitglieder.
Im Vorfeld hatte das Berufsförderungswerk diesmal einige Hindernisse zu überwinden, bis feststand, dass die Veranstaltung wie geplant stattfinden würde. Denn die Berichterstattung über das neuartige Coronavirus wurde immer dramatischer. Nach einer gründlichen Risikoanalyse und Rücksprache mit dem zuständigen Gesundheitsamt stand fest: Dem Unternehmerseminar steht nichts im Wege, wenn einige Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden.
„Dachdecker sind mutig, aber nicht leichtsinnig, und sie gehen mit Bedacht und Obacht ihrer Tätigkeit nach“, so erklärte Rudolf Behr das Vorgehen der Organisatoren. Und so war das einzige, das an das Virus erinnerte, der Appell an das Einhalten der empfohlenen Hygieneregeln und an den Verzicht auf das eigentlich übliche Händeschütteln.
Im Namen der Vesta hieß deren Vorsitzender Konrad Nordmann die Teilnehmerinnen und Teilnehmer willkommen. Die Vereinigung ehemaliger Dachdecker-Fachschülers St. Andreasberg e. V. ist Mitinitiatorin des Unternehmerseminars. Ein weiteres kurzes Grußwort gab es von Landesinnungsmeister Carsten Stelter.
Ehren-Landesinnungsmeister Traugott Grundmann, einer der Gründungsväter des Unternehmerseminars, blickte in seinem Grußwort zum Jubiläum auf die zwanzigjährige Erfolgsgeschichte des Unternehmerseminars zurück. Er hob hervor, dass das Berufsförderungswerk mit der Auswahl der Vortragsinhalte in all den Jahren immer auf der Höhe der Zeit war. Dazu gehören unter anderem Themen aus der Fachtechnik, der Rechtsprechung, man beschäftigte sich mit den Anfängen der Digitalisierung, die auch in der Jubiläumsveranstaltung wieder eine Rolle spielte.
Während das Berufsförderungswerk fachtechnische Vorträge in der Regel aus den eigenen Reihen abdecken konnte, wurden für andere Gebiete hochkarätige Referenten engagiert. Besonders gern erinnert Grundmann sich an Joey Kelly von der berühmten Kelly Family. Zu den Unternehmerseminaren reisten durchschnittlich zwischen 130 und 160 Teilnehmer an.
Da zu einem runden Geburtstag auch eine Torte dazugehört, zählte der feierliche Anschnitt der Geburtstagstorte zu den ganz besonderen Momenten des Jubiläums-Seminars – ebenso wie die gemeinsame Party am Freitagabend im Bad Lauterberger Revita Hotel, dem bewährten Veranstaltungsort des Seminars. Mit viel Musik, einem leckeren Buffet, Tanz und angenehmen Gesprächen an der Cocktailbar wurde der Geburtstag des Unternehmerseminars gebührend gefeiert.
Das breit gefächerte Spektrum von Themen, die in den insgesamt sechs Vorträgen behandelt wurden, versprach aktuelle, für jeden Unternehmer relevante Information zu zeitgemäßen Fragen wie Gerichtsurteilen im Baurecht, der Digitalisierung, dem Betriebsrentenförderungs-
gesetz, Strategien zur Prävention von Hautkrebs durch Sonneneinstrahlung und dem Umgang mit der Generation, die aktuell in die betrieblichen Ausbildungen startet, der sogenannten Generation Z. Als besonderen Leckerbissen gab es lehrreiche Unterhaltung zum Thema „Physik in Hollywood“.
Die Digitalisierung stand im Mittelpunkt des Vortrags von Dipl.-Ing. Jochen Angerstein aus Königslutter. Verblüffende Erkenntnis: rund 60 % der Betriebe halten sich laut einer Umfrage selbst für Nachzügler in Bezug auf die Digitalisierung. Doch ohne das Internet gehe heute nichts mehr, und wer keine eigene Website habe, existiere praktisch nicht, hob Angerstein hervor. Anschaulich stellte er Beispiele für die Einbindung digitaler Prozesse und Hilfsmittel in die tägliche Arbeit vor. So spielt die Digitalisierung eine immer größere Rolle in der Kundenberatung. Mit Hilfe von Konfiguratoren können sich potenzielle Kunden schon im Vorfeld über ihr Vorhaben informieren. Auch firmeninterne Arbeitsprozesse lassen sich mittels digitaler Hilfsmittel optimieren, darunter das Dokumentenmanagement, der Wissenstransfer zwischen Büro und Baustelle, die interne Kommunikation sowie auch die Kommunikation mit dem jeweiligen Architekten. Angerstein ermutigte die Unternehmer, ihren eigenen Weg inmitten der Vielzahl digitaler Möglichkeiten und Angebote zu finden.
Als Vertreter der Sozialkassen des Dachdeckerhandwerks SOKA-Dach sprach Renten- und Betriebsberater Michael Dötz detailliert über das Betriebsrentenstärkungsgesetz. Das steuer- und sozialrechtliche Reformpaket wurde 2017 verabschiedet und hat die höhere Akzeptanz der betrieblichen Altersvorsorge und ihre bessere Verbreitung zum Ziel. So wurden die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die betrieblichen Versorgungsmöglichkeiten verbessert, die Neuerungen greifen je nach Vertragsart seit 2019 bzw. ab 2022. Gleichzeitig stellte er das um eine App erweiterte digitale Angebot der SOKA-Dach vor. Die Kunden der Sozialkassen des Dachdeckerhandwerks können so unkompliziert auf die Tarifverträge des Dachdeckerhandwerks zugreifen und sich schnell über häufig gestellte Fragen zu Sozialkassenverfahren und den Leistungen der SOKA-Dach informieren. Die App ist mit der Website der SOKA-Dach verknüpft und kann kostenlos heruntergeladen werden.
Nichts für zarte Gemüter, doch in Zeiten des Klimawandels brandaktuell und wichtig war der Themenkomplex Hautkrebs-Prävention, der im Mittelpunkt des ersten Seminartags stand. Hautkrebs ist mittlerweile als Berufskrankheit anerkannt. Was bewirkt die Sonneneinstrahlung in der Haut? Wie kann sich ein Berufsstand wie das Dachdeckerhandwerk, dessen Arbeit zum ganz überwiegenden Teil unter freiem Himmel dem Wetter ausgesetzt stattfindet, vor lichtbedingter Hautalterung und Hautkrebs schützen? Welche Institutionen bieten Beratung und Hilfe? Und was kann jeder einzelne, aber auch jeder Vorgesetzte tun, um sich und seine Mitarbeiter vor UV-bedingten Krankheiten zu schützen?
Dr. Jobst Konerding, Arbeitsmediziner bei der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, gab zunächst eine Einführung in die UV-Strahlung, den UV-Index und die Auswirkungen der Sonneneinstrahlung für Augen, Haut und Immunsystem. Konerding lud dazu ein, neben technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen auch das Angebot der arbeitsmedizinischen Vorsorge zu nutzen. Im zweiten Teil des Themenkomplexes zeigte Dermatologin Dr. med. Anja Thielitz anhand von eindrücklichen Bildern, die für den einen oder anderen Schock-Moment sorgten, die Folgen, die das ungeschützte Arbeiten in der Sonne haben kann, aus hautärztlicher Sicht. Sie betonte die große Bedeutung von Aufklärung und Prävention und warb für eine Änderung des Freizeitverhaltens. Abschließend ergriff Jobst Konerding wieder das Wort und stellte Maßnahmen für den Hautschutz vor. Von der Einteilung der Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Sonneneinstrahlung, dem Einplanen zusätzlicher Pausen und dem Verschieben geeigneter Tätigkeiten in die Stunden geringerer UV-Belastung über Schutzkleidung und die regelmäßige und ausreichende Verwendung geeigneter Sonnenschutzmittel zeigte er auf, welche Möglichkeiten jeder einzelne Unternehmer hat, um seine Mitarbeiter vor Schäden durch UV-Strahlung zu bewahren und so die Mitarbeitergesundheit und Arbeitskraft zu erhalten. Alles in allem ein Thema, das durch die Effekte des Klimawandels im wahrsten Sinne des Wortes immer brennender wird.
Mit einer unterhaltsamen Exkursion in die Physik von Hollywood-Filmen faszinierte der Physiker Sascha Vogel die Anwesenden. In seiner Präsentation analysierte er einige actionreiche Filmszenen aus dem Blickwinkel der Physik und zeigte, wie sehr Filmemacher den Boden der Tatsachen verlassen und die Gesetze der Physik ignorieren. Beispiele aus Kino-Hits wie „Ice Age“, „Fluch der Karibik“, „Spiderman“ und „Independence Day“ sorgten für einen ebenso unterhaltsamen wie lehrreichen Abschluss des ersten Seminartages.
Dr. Frank Biermann, Hauptgeschäftsführer des Landesinnungsverbands Niedersachsen-Bremen, der auch als Moderator durch das Programm führte, begann den zweiten Seminartag mit einer Reise durch die Welt der Baurechtsprechung. Aktuelle Gerichtsurteile aus den Bereichen Vergaberecht, Vertragsrecht, Rechnungsstellung, Baumängel, Behinderung und Bedenken zog er als Beispiele heran, um die Teilnehmer fit für die juristischen Stolperfallen ihres Berufs zu machen.
Um das Zusammenspiel zwischen den Generationen ging es im Referat von Prof. Dr. Antje-Britta Mörstedt von der Private University of Applied Sciences Göttingen. Besonders interessant für alle Ausbildungsbetriebe: Wie tickt die Generation Z, geboren grob zwischen 1994 und 2010 – die Generation, die derzeit die Schule abschließt und eine Ausbildung beginnt? Vieles unterscheidet die Jugendlichen und jungen Erwachsenen heute von den Generationen vor ihnen, was gemeinsame Generationserlebnisse, prägende Einflüsse, Werte und nicht zuletzt die Mediennutzung angeht. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, diese ganz verschiedenen Generationen „unter einen Hut“ zu bringen. So seien die jungen Leute beispielsweise von Haus aus nicht an Hierarchien gewöhnt, müssten also zunächst neben fachlichem Wissen und Fertigkeiten auch Sekundärtugenden erlernen.
Mit seiner 20. Ausgabe wurde das Unternehmerseminar wie in den vorangegangenen Jahren wieder dem Anspruch gerecht, der zu seiner Gründung durch das Berufsförderungswerk und die Vesta geführt hat: Es bietet den Unternehmern im Dachdeckerhandwerk eine ideale Plattform zur Weiterbildung auf Unternehmerniveau mit auf sie zugeschnittenen Fachvorträgen und reichlich Gelegenheit zum Knüpfen von Kontakten. Und so steht das Fazit fest: Das Format wird beibehalten – nur ohne Geburtstagstorte beim nächsten Mal!
Text von: Birgit Susemihl (Texte und Lektorat)